Donnerstag, 11. August 2011

Schreckhorn (4078m), Südwestgrat (AD+, III max.)

Wir gingen um 21:00 Uhr zu Bett und wurden um kurz nach halb zwei von dem Tumult im Lager geweckt. Ein paar Minuten später entschieden wir uns, auch aufzustehen und uns anzuziehen. Trotz des früheren Aufstehens blieb der Hüttenwart hart und stellte das Brot und den Tee erst um Punkt 2:00 Uhr auf den Tisch. Eine halbe Stunde später brachen wir im Mittelfeld der anderen Leute auf, die auch auf das Schreckhorn gehen wollten. Es waren neben uns noch vier weitere Seilschaften zwischen zwei und vier Leuten unterwegs.

Den Weg über den Gletscher fanden wir durch die Spur im Schnee und durch eine Seilschaft, die vor uns ging ohne Probleme. Auf dem Rückweg merkten wir, wie hilfreich eine solche Spur war. Später am Tag war nämlich der ganze Schnee vom Gletscher getaut und man sah nur noch das apere Eis, das überall gleich aussah. Als es in den Geröllhang vom Gletscher aufwärts ging, führte Chuck und zwei Leute klebten uns direkt an den Fersen, machten aber keine Anstalten, in dem Gelände zu überholen und vorzugehen. Die leichten Wegspuren verloren sich öfters und es war eine beachtliche Leistung von Chuck, dass wir uns nicht verliefen, wie es uns sonst doch öfters mal passiert.

Anlegen der Steigeisen um 4:55 Uhr
Den rutschigen, steinigen und anstrengenden Gaag verließen wir um kurz vor fünf auf ca. 3100m Höhe und betraten ein Firnfeld, das uns auf den Gletscher unterhalb des Schreckhorns bringen sollte. Unsere beiden Verfolger waren schneller beim Steigeisenanlegen und Anseilen und übernahmen die Führung. Es war immer noch stockdunkel und man sah wenig von der Umgebung. Nach einer Weile hinter unseren beiden Vordermännern merkten wir jedoch, dass wir irgendwie falsch liefen. Die Spur auf der wir waren führte zu weit weg vom Berg. Anscheinend waren wir alle vier auf die Spur zum Strahlegghorn geraten und mussten nun wieder umkehren, um weiter unten der Spur einer anderen geführten Seilschaft zu folgen.

Morgendämmerung am Eiger um 6:30 Uhr
Um 6:06 Uhr erreichten wir am Ende des stark von Spalten durchzogenen Schreckfirns den Bergschrund, den wir auf 3458m überwinden mussten, um in die Rampe zu gelangen, die wir bis zu einer Schulter hinaufsteigen wollten, um so auf den Südwestgrat zu kommen. Der Schnee hatte eine sehr komische Konsistenz. Durch den vielen Neuschnee war er noch nicht richtig gesetzt. Es gab keine feste Oberfläche sondern die Auflage war eher pulverig und rutschig, ohne jedoch schon nass zu sein. Weil uns dieser rutschige Schnee in der steilen Rampe, in der auch ab und zu ein bisschen Eis oder Steine hinunterkamen, gar nicht lag, wechselten wir nach links in die Felsen am Rand der Rampe.

Um 7:20 Uhr in den Felsen, die die Rampe begrenzen
Der Fels, den wir dort vorfanden war schön fester und rauer Granit. Es gab nur sehr wenige lose Blöcke und der Fels war durchweg sehr steil. Wir hatten hier Kletterschwierigkeiten noch nicht erwartet, da nach unserer Erinnerung erst der Grat mit IIIer Stellen aufwarten sollte. Es galt jedoch auch hier schon mal auf kleineren Tritten zu stehen oder sich an den gut griffigen Kanten der Felsen hochzurampfen. Wir mussten uns durchaus schon ein bisschen anstrengen. Ein späteres Nachlesen im Führer bestätigte auch, dass hier schon IIIer Stellen im Fels der Rampe zu klettern sein.

Tiefblick ins Tal von der Schulter kurz unter dem Südwestgrat
Hell geworden war es schon eine Weile lang, aber nun erreichte uns ab kurz nach 8:00 Uhr auch endlich die Sonne. Diese ging über dem Verbindungsgrat zwischen Schreckhorn und Lauteraarhorn auf, von dem es auch einen Anstieg auf den Gipfel gibt, der 1902 von den Erstbegehern gewählt wurde.

Sonnenaufgang auf dem gegenüberliegenden Südostgrat
Am Ende der Rampe wurde es wieder ein bisschen flacher, da wir die Schulter erreicht hatten, von der es nun weiter auf den Südwestgrat gehen sollte. Über uns konnten wir die anderen Seilschaften sehen, von denen die letzte im Schreckfirn an uns vorbeigezogen war.

Südwestgrat des Schreckhorns zum Gipfel (Foto auf 3720m)
Als wir im Südwestgrat kletterten, kamen uns schon die ersten schnellen Seilschaften wieder entgegen. Den oberen Teil bis zur Schulter auf 3800m kann man sehr gut an eingerichteten Abseilstellen abseilen.

Für die letzte Etappe bis zum Gipfel mussten wir uns oben am Ende des Grates noch einmal die Steigeisen anlegen, da wir eine kurze Firnflanke zu einem Firngrat hinauf mussten. Dieser Firngrat könnte bei weniger Schnee vielleicht einfacher zu gehen sein, da er von vielen Blöcken durchzogen war. Zum Glück war der Grat nicht so lang und wir erreichten um 10:08 Uhr auf 4078m den Gipfel des Schreckhorns nach 7,5h Aufstiegszeit. Hier oben war es ziemlich windig und so blieben wir nicht lange dort. Man konnte über den Südostgrat zum Lauteraarhorn hinüber sehen. Über diesen Grat gibt es eine Überschreitung, die uns jedoch nun mit den über 7h Tour in den Knochen ziemlich unmöglich vorkam. Auf dem Grat lag immer noch eine Menge Schnee, den man wohl wegputzen müsste.

Wolkenlage vom Gipfel des Schreckhorns aus beobachtet
Wir machten uns wieder an den Abstieg und begannen nach dem Firngrat mit dem Abseilen. An einigen Stellen waren die Abseilösen nicht so einfach zu finden, da der Grat nicht nur senkrecht nach unten führte. An einer Stelle seilten wir zu weit in die Wand nach Nordwesten ab, fanden aber wieder ein Schlingenbündel, von dem wir daraufhin zurück in die Abseilpiste gelangten. Als diese zu Ende war, opferten wir an einer steilen Stelle noch ein Schlinge, da der Weg vom Grat über die Schulter zur Rampe auch nicht so einfach zu begehen war. Das Ende der Schulter auf 3712m erreichten wir um 12:45 Uhr.  

Blick nach unten auf die noch weit entfernte Schreckhornhütte
Die Rampe entschieden wir im Fels abzuklettern. Wir sicherten zwischendurch immer wieder mit Schlingen und einigen Friends, gingen aber gleichzeitig am Seil. Es gab auch Abseilschlingen in dem Fels, der die Rampe begrenzt, aber wir seilten nicht ab, da wir unsicher waren, wie gut ausgebaut diese Abseilpiste war. Es handelte sich um alte Schlingenbündel und nicht die schönen neuen Haken mit Abseilösen aus dem Südwestgrat.

Beim Abstieg gingen wir den Fels noch weiter hinunter, als wir am Morgen aus dem Firn in ihn eingestiegen waren. Der Firn war zu einer ziemlichen Matschepampe geworden und in der Firnrinne kamen ab und zu mal Eis oder ein Steinchen aus der Wand hinunter. Man hörte das Rauschen von Schmelzwasserbächen.

Queren in der nun ziemlich weichen Firnrinne
Als die Felsen ca. 100 Höhenmeter oberhalb des Bergschrunds zu ende waren, seilten wir noch einmal in die schmierige Firnrinne ab und fanden nach einer Querung im Fels wieder zwei Abseilstellen, die uns bis unterhalb der großen Bergschrundspalte brachten.

Chuck beim Filmen auf dem Schreckfirn
Nun ging es den fast ebenso weichen Firn unterhalb des Schreckhorns wieder hinab, um auf den Gaag zu kommen. Bei Tageslicht betrachtet war diese Schotterhalde noch schlimmer als in der Nacht. Im oberen Teil war es wieder schwierig die Wegspuren zu finden, da es hier und da immer wieder einzelne Absätze mit Schotter in dem Hang gab. Später fanden wir jedoch den Weg und stiegen langsam den Hang hinunter bis zum Gletscher, der 100 Höhenmeter unterhalb der Hütte liegt.

Aussicht vom Schreckfirn
Auf dem Gletscher war nun der Schnee, der gestern und heute morgen noch die Spur zeigte, verschwunden. Im Abstieg war dies aber kein Problem, da wir ja die Hütte sehen konnten und so eine ungefähre Orientierung hatten. Allerdings stiegen wir erst ein bisschen spät vom Gletscher auf, da der Weg zur Hütte durch das Geröll auf der Seitenmoräne nicht so einfach ersichtlich war.

Aperer Gletscher unterhalb der Hütte
Ziemlich fertig von der Tour, die uns 7,5 hinauf und ein paar Minuten länger wieder hinunter gekostet hatte, kamen wir um 17:15 Uhr auf der Hütte an. Hier war wieder einiges los. Die letzte Bahn an der Pfingsteggstation konnten wir uns abschminken, da diese um 19:00 Uhr fahren sollte und wir es bis dahin nie schaffen würden. Eine weitere Nacht auf der Hütte im Lager mit dem kargen Frühstück klang auch nicht so verlockend...

Wir entschieden uns noch abzusteigen nach Grindelwald und packten unsere Sachen, sodass wir eine Viertelstunde später die Hütte in Richtung Tal verließen. Die schwierigeren Stellen des Hüttenwegs, die mit Stahlseilen, Leitern oder Ketten abgesichert waren, würden wir noch im hellen gehen können.

Fast nach anderthalb Stunden erreichten wir einen Fluss, der bei normalem Wasserstand sicher kein Problem darstellte. Anscheinend hatten wir durch die Schneefälle der letzten Tage und dem nun heißen Wetter aber keinen normalen Wasserstand. Es war schwer einzuschätzen, wie hoch das Wasser spritzen würde und wie wir über den Bach kommen sollten.

Wir entschieden uns also alles, was nass werden könnte abzulegen, die Schuhe auf den Rucksack zu schnallen und durch den Bach zu waten.

Spätes Überqueren eines Schmelzwasserbachs
Neben dieser Aktion zog sich der Weg nach unten ganz schön hin. Es sind von der Hütte nach Grindelwald ca. 1500 Höhenmeter, aber auch eine nicht zu unterschätzende Entfernung, die man erst einmal aus dem Tal hinauslaufen muss. Zwischendurch gab es kleinere Gegenanstiege, sodass wir nicht besonders schnell voran kamen.

Bei der Bäregghütte war es so dunkel, dass wir unsere Stirnlampen aufsetzen mussten. Von dort aus sollten es noch knapp zwei Stunden bis ins Tal sein. Von der Station der Pfingsteggbahn nahmen wir direkt hinter dem Haus den steilen Weg über Wiesen und durch einen Wald unterhalb der Bahn nach unten.

Ziemlich kaputt und ausgepowered erreichten wir um 23:13 Uhr das Auto auf dem Parkplatz der Talstation. Damit waren wir fast 21h am Herumlaufen durch die Berge. Bis wir totmüde in unserer Unterkunft bei Meiringen in unsere Betten fielen, waren seit unserem Aufstehen in der Hütte am Morgen über 24h vergangen.

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